Plaudertelefon - Stuttgart nimmt sich Zeit
Heute möchte ich euch über ein ganz anderes Thema berichten.
Seit gut einem Jahr engagiere ich mich ehrenamtlich beim Plaudertelefon der Bürgerstiftung Stuttgart. Im Schaukasten einer evangelischen Kirchengemeinde entdeckte ich einen Aushang und bewarb mich sodann um einen Platz als Plauderfreundin. Nach einer entsprechenden Online - Einführung war ich bereit für die Zuteilung. Das Warten begann.
Was sich jetzt wie ein Bewerbungsverfahren liest, war in Wahrheit eine super angenehme neue Erfahrung mit lieben Menschen.
Mitten im beginnenden 2. Jahr der Pandemie stieß ich auf diese tolle Aktion. In mir schlummerte unbewusst schon länger der Gedanke mich auf irgendeine Weise während dieser kontaktarmen Zeit nützlich zu machen. Bedingt durch die geltenden Einschränkungen und damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen, wurden ältere, alleinstehende oder beeinträchtigte Menschen im Allgemeinen - die es sowieso schon schwer haben Sozialkontakte zu pflegen - in eine soziale Isolation geschickt, die für manch einen unvorstellbar ist. Das Schwätzchen mit dem Nachbarn, beim Einkaufen oder Spazieren: All das fiel mit “Abstand halten” weg. Senioren-Busfahrten und andere Gruppenaktivitäten - alles war gestrichen und die Einsamkeit der Menschen wuchs. Dazu kamen noch Winter und Dunkelheit. Die Menschen waren auf sich allein gestellt und Depressionen und andere psychische Erkrankungen machten ihre Runden.
Das Projekt “Plaudertelefon - Stuttgart nimmt sich Zeit” der Bürgerstiftung Stuttgart hat als Zielgruppe genau diese Menschen. Durch einen konstanten Telefonkontakt sollen wieder mehr Abwechslung und somit Freude in das Leben dieser Personen Einzug erhalten. Ein Telefonat, auf das man sich einmal die Woche freuen und in dem man alles erzählen kann, das einen derzeit beschäftigt: Vergangenes oder Aktuelles. Gemeinsame Interessen können entdeckt werden oder man bekommt Einblicke in die Welt eines anderen Menschen. Ganz wie man möchte. Der Plauderfreund oder die Plauderfreundin sind ganz Ohr für die betreffende Person.
Kaum eine Woche musste ich warten, schon bekam ich einen Anruf. Name und Telefonnummer wurden mir mitgeteilt und in den nächsten Tagen rief ich meine Plauderfreundin an. Wöchentlich oder auch mal 10-14-tägig telefoniere ich nun seit fast einem Jahr mit ihr. Ich bin froh, dass ich während der Pandemie einem Menschen helfen und beistehen konnte und kann.
Wie lässt sich nun meine Telefonphobie mit diesem Ehrenamt vereinbaren? Ganz einfach: Indem ich mich bewusst darauf vorbereite. Ich muss Zeit und Raum dafür haben und mich mental darauf einstellen können. In 99 % der Fälle rufe ich an, wenn es bei mir passt. Außerdem lasse ich meine Telefonpartnerin den Vortritt beim Reden. Es geht schließlich in erster Linie um sie. Wenn sie nachfragt oder eine Pause entsteht, dann kann ich immer noch von mir und meinen Erlebnissen oder meinem Alltag berichten.
Zwischenzeitlich hat das “Freiwilligenmagazin W!N” der Freiwilligenagentur Stuttgart einen Artikel über das “Plaudertelefon” in seiner aktuellen Ausgabe veröffentlicht. Trotz meiner Einschränkungen habe ich ein Interview samt Fotoshooting bei mir daheim geschafft. Und bin ein bisschen stolz drauf.
…und wer weiß…vielleicht schaffen wir es in diesem Jahr dann auch endlich zu einem persönlichen Treffen…geplant ist es auf jeden Fall…ich berichte dann gerne wieder…