Autismus: #wasihrnichtseht #meinlebenmitautismus
Ich habe einen Text von mir recycled und in die Autismus-Reihe mit aufgenommen, weil er einfach dahin gehört :-)
In diesem Beitrag zeige ich verschiedene Perspektiven. So, wie die Umwelt mich (manchmal) wahrnimmt, und so wie ich fühle.
Es ist ein kleiner Einblick in meine autistische Welt. Ich freue mich, dass du hier bist und Interesse an mir und meinen Gedanken hast. Danke für deine Unterstützung.
Ich bin sehr gespannt auf deine Fragen und den Austausch mit dir.
Liebe Grüße, Jennifer
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Was du siehst:
Eine Frau auf dem Ergometer. Guckt bissl mürrisch. “Bei Ihnen alles okay?” Ah, jetzt lächelt sie.
Was ich sehe:
Ein Mann, der auf mich zukommt. Hilfe, lass mich bitte in Ruhe. Bitte nicht ansprechen.
Aaaah, er spricht. Schnell, nicken und lächeln.
Was du siehst:
Eine Frau im Stadion der Regionalliga. Schaut sich etwas angestrengt und mit verkniffenem Gesicht das Spiel an. Trägt Sonnenbrille - klar Sonne scheint ja - und ne Sonnenmütze - im Oktober bei 15 Grad. Seltsam. Und sie macht so komische Bewegungen. Wieso kreist sie ihre Hüfte? Und reibt sich ständig im Nacken? Wieso kaut sie auf ihrer Lippe?
Was ich sehe:
Puh, zum Glück ein Platz im Schatten. Sitzen ist gut. Ständig stehen ist ja auch nix. Mist, ich hab heute so starke Rückenschmerzen, die ich in Nacken und Kopf ziehen und in Übelkeit übergehen, dass ich doch lieber wieder aufstehe. Ein paar Stufen höher. Da stehe ich niemandem im Weg. Oh nein, hier scheint mir die Sonne direkt auf den Hinterkopf. Das vertrag ich nicht. Naja, ein bisschen kann ich es versuchen. Ist doch die Herbstsonne. Kann doch nicht so schlimm sein. Hm, mal kurz die Sonnenbrille abnehmen. Waaah, nein, schnell wieder aufsetzen. Jetzt reicht es mir auch mit der Sonne auf den Kopf. Wozu hab ich meine Mütze denn mitgenommen? Hoffentlich schaut mich keiner schräg an. Einfach viel atmen. Lächeln. Ich komm hier sicher wieder heile raus.
Was du siehst:
Ah, da kommt die Mama mit xy. Glücklich schaut sie ja nicht gerade. Immerhin hat sie nicht ihre Kopfhörer auf. Das geht ja nun gar nicht. Was sollen denn die anderen Kinder denken? Lächeln könnte sie auch mal!
Was ich sehe:
Erschöpft komme ich um 8:30 Uhr beim Kindergarten an. Der Morgen war anstrengend. Nein, nicht das Kind. Nur der Morgen. Die Gegebenheiten. Ich war aufgeregt, nervös. Herzklopfen bis zum geht nicht mehr. Nach dem Desaster bei der Kindergarten-Anmeldung, möchte ich nun nicht mehr auffallen (tu ich das nicht eh schon :-D ). Statt der Over-Ear-Kopfhörer setze ich mir die In-Ear in die Ohren und werfe meine kurze Haarpracht darüber, damit sie keiner sehen kann. Es war ja nur “abgesprochen”, dass ich die auffälligen Kopfhörer nicht aufsetze…Inklusion lässt grüßen…Ich atme meinen Beruhigungsduft ein und meine Hand wandert in meine Rocktasche, um den Igelball zu ertasten. Gut, alles im Lot.
Denk dran:
Es gibt immer mindestens 2 Perspektiven! Und es gibt Gründe für das Verhalten anderer Menschen. Wenn du wirklich Interesse an den Hintergründen hast, dann frag nach! Und verbiete keinem Menschen die Tools, die er benötigt um leichter durchs Leben zu kommen.
Ich wünsche mir kein Verständnis!
Ich wünsche mir mehr Akzeptanz und Toleranz in unserer Gesellschaft. Keine Absprechung von Diagnosen, Gefühlen und Hilfsmitteln.