Autismus: Soziale Kontakte Teil 2

Ich habe euch gefragt. Ihr habt abgestimmt. Das Thema mit den meisten Stimmen war: "Autismus und soziale Kontakte". Ich habe es Teil 1 genannt, weil ich beim Schreiben gemerkt habe, dass ich da noch weit mehr dazu zu sagen habe, als in einen Beitrag passt. Daher wird es irgendwann Teil 2 geben.

Gerne swipen ;-)

Wie steht es bei dir mit sozialen Kontakten? Eher viele oder eher weniger?

Ich wünsche dir ganz viel Liebe für's Wochenende!

Liebe Grüße, Jennifer

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Meine sozialen Kontakte haben sich im Laufe meines Lebens - logischerweise - immer wieder geändert. Nie war ich zufriedener mit den Menschen, mit denen ich mich umgebe, als heute. Ich hatte in meiner Jugend und meinen 20ern einige Menschen in meinem Umfeld, die mir nicht guttaten. Sie alle existieren nicht mehr in meinem Leben. Auch heutzutage lerne ich noch Menschen kennen, mit denen aber nach kurzer Zeit der Kontakt wieder abbricht. Weil es einfach nicht passt, wir nicht kompatibel und nicht auf einer Wellenlänge sind.

Die Menschen, mit denen es nicht gepasst hat, waren bunt gemischt aus Verwandtschaft (“Familie”), “Freund:innen” und Bekanntschaften und Arbeitskolleg:innen. Manchmal ist es gar nicht möglich, diesen Menschen aus dem Weg zu gehen und dann ist es wichtig einen Umgang mit ihnen - und vor allem mit sich selbst - zu finden. Wenn diese Menschen auf Dauer nicht guttun, gilt es zu überlegen, an welchen Stellschrauben Veränderung stattfinden kann. Das ist nicht einfach, aber oftmals möglich. 

Meinem neurodivergenten Dasein ist es äußerst förderlich, ausschließlich Menschen um mich zu haben, mit denen es “matcht”. Das ist doch bei jedem so, denkst du? Klar, niemand umgibt sich gerne mit Menschen, mit denen es nicht passt und die einem nicht guttun. In der Neurodivergenz hat das oft tiefgreifende und schwerwiegende Nachwirkungen, wenn Kontakt zu solchen Menschen besteht. Bei zu viel sozialer Interaktion mit diesen Menschen, treten Symptome auf, die meist Folgen von Overload und Masking sind. Außerdem sind autistische Menschen oft sensibler und nehmen alles intensiver wahr. Missstimmung und Streit intensivieren diese Gefühle und rauben Energie. 

Ich hatte nie viele Menschen um mich. Dafür immer ein paar besondere, wichtige Menschen.

Ich liebe es, mich mit meinen Lieblingsmenschen zu treffen, mich auszutauschen, ihnen zuzuhören, meine Geschichten zu erzählen und auch mit ihnen dazusitzen und zu schweigen. Gleichzeitig bin ich froh, wenn ich nach Treffen mit meinen Lieblingsmenschen wieder Alleinzeit habe.

Wie kann das sein, wenn diese Menschen mir doch soviel bedeuten und mir einerseits sogar Energie geben?

Ganz simpel: Ich benötige Zeit zum Regenerieren. Und zwar weit mehr als andere Menschen. Die reine Interaktion und Kommunikation mit allem, was dazu gehört, kostet mich immens Kraft. Hinzu kommen die Umweltreize, die mir Energie ziehen. Für mein Gehirn gibt es enorm viel zu verarbeiten, da eine Reizfilterschwäche vorliegt. Mein Reizfilter lässt so unglaublich viel durchsickern, dass einfache Gespräche viel Konzentration von mir erfordern. Klar, werde ich schnell müde und erschöpft davon.

Es hat nie etwas mit den Menschen, sondern allein mit mir zu tun. Zeit mit diesen Menschen zu verbringen, bedeutet mir sehr viel. Ich schätze es, diese Menschen in meinem Leben zu haben und bin glücklich darüber, dass sie mich nehmen wie ich bin. Die richtigen Menschen in meinem Umfeld stört es nicht, wenn ich mich zurückziehe. Sie nehmen es nicht persönlich und mir nicht krumm.