Autismus: Restaurantbesuch
Dies ist ein alter Text von mir vom August 2021. Ich habe ihn ein wenig recycled und in die Autismus-Reihe mit aufgenommen, weil er einfach dahin gehört :-)
In diesem Beitrag berichte ich, wie ein Restaurantbesuch an diesem Nachmittag für mich abgelaufen ist. Erklärt auch ganz gut, warum ich selten in Restaurants essen.
Es ist ein kleiner Einblick in meine autistische Welt. Ich freue mich, dass du hier bist und Interesse an mir und meinen Gedanken hast. Danke für deine Unterstützung.
Ich bin sehr gespannt auf deine Fragen und den Austausch mit dir.
Liebe Grüße, Jennifer
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Mal wieder im Restaurant gewesen...nunja...was heißt mal wieder...das kommt ja zur Zeit weniger oft vor. Ich denke, ich bin aus der Übung. Hm, war ich denn je IN Übung? Ich denke, es gab schon bessere Restaurantbesuche, vielleicht auch ein paar schlechtere...aber dieser hier gehört eindeutig zur Sorte negativ...
Tische nah beieinander...Lautstärke der Gespräche...aber hallo, und so viele Lampen, die an sind...ich mein, ist das wirklich notwendig? Alles zu eng. Jemand spricht mich an. Wo am Tisch ich sitzen möchte, öhm, ja, weiß nicht, erstmal orientieren. Okay, Platz gefunden.
Erstmal ankommen. Umschauen. Auf's Kind konzentrieren. Händchen halten mit dem Mann. Gut, dass ich mir über Getränke und Essen schon vorher Gedanken gemacht habe. So muss ich nicht mehr in die Karte schauen, sondern kann direkt bestellen. Hoffentlich versteht mich der Mitarbeiter gleich beim ersten Mal.
So, alles ist bestellt. Das Kind spricht mit mir. Ich versuch mich zu fokussieren. Ich schaue nach rechts, weil da irgendwas war … es dreht sich in mir. Alles prasselt auf mich ein. Stimmengewirr, Gelächter, zu helles Licht. Ich versuche mich an den Gedanken festzuklammern, dass durch die Eingangstüre, die immer wieder geöffnet wird, frische Luft reinkommt.
Die Getränke kommen. Ich versuche mich auf die heiße Tasse Kamillentee zu konzentrieren. Sonst haben Heißgetränke und das Festhalten der jeweiligen Tassen immer geholfen. Heute irgendwie weniger. Hitzewallungen. Schwindel. Ich muss raus.
Mein Mann und ich sind ein eingespieltes Team - meistens ;-) - und als er vorschlägt, ein Spielzeug für das Kind aus dem Auto zu holen, biete ich mich sofort an - zum Glück versteht er gleich und versucht es mir nicht auszureden. Draußen kann ich es nicht fassen: Tageslicht, eine geräuscharme Umgebung und milde Temperaturen - frische Luft. Ich genieße es draußen sehr. Die Suche nach dem Spielzeug dauert "seltsamerweise" länger und als ich zurückkam, wird tatsächlich schon das Essen serviert.
Super! Also wird weniger geredet. Naja, ein bisschen weniger. Einige Worte werden schon gewechselt. Ich versuche das Essen zu genießen. Ein Essen, das ich sonst nicht esse, aber es gibt auf der Speisekarte fast nichts, das ich esse. Zu einer Uhrzeit, zu der ich sonst nicht esse. Zumindest nicht solche Portionen und so schwer. Ich schaffe vielleicht grade die Hälfte und bin dann wirklich voll. Der Nachtisch, auf den ich mich eigentlich gefreut hatte, wird keinen Platz mehr haben. Nicht weiter schlimm.
Nach dem Essen konzentriere ich mich auf das Spiel mit meinem Kind. Ab und an sage ich etwas. Aber ich fühle mich unwohl dabei. Ein Rauschen in meinen Ohren. Ganz viel Konzentration verlange ich meinem Körper da ab. Ich rede - wie meist - zu leise um gegen die anderen Stimmen wirklich anzukommen. Zum Glück sind die Mitmenschen verständnisvoll und sie verstehen mich wohl tatsächlich. Ich versuche trotzdem etwas lauter zu sprechen und fühle mich gleich noch unwohler. Der nächste Redeschwall kostet mich soviel Kraft. Ich muss nochmals raus. Mann und Kind kommen dieses Mal mit. Sie entschuldigen uns mit den Worten: “Wir müssen uns mal akklimatisieren…”. Ich liebe die beiden.
Draußen tanken wir wieder frische Luft und ich neue Energie für den restlichen Teil bis wir gehen. Als wir zurück kommen, bleiben wir noch ein Weilchen und schon ist es Zeit zum Aufbrechen. Ich habe einen weiteren Abend in Gesellschaft überstanden. Erschöpft lasse ich mich ins Auto sinken und kurze Zeit darauf ins Bett. Zu nichts mehr fähig.