Autismus - Diagnose-Entstehung

In den letzten Wochen habe ich immer wieder mal Fakten-Checks mit euch geteilt.

Doch wie lange gibt es die Diagnose "Autismus" bzw. "Autismus-Spektrum-Störung" und wie kam es dazu?!

Dazu bitte in den Slides weiterlesen.

Liebe Grüße aus dem Schnee

Jennifer

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Du hast das Gefühl Autismus als Diagnose gibt es schon ewig? Du hast schließlich immer mal wieder etwas davon gehört...das sind diese speziellen Menschen...

Oder

Du denkst: Hm, Autimus scheint gerade überall aufzuploppen. Voll die Modediagnose. Jedes Kind scheint damit abgestempelt zu werden und selbst die Erwachsenen meinen plötzlich betroffen zu sein und rühmen sich mit Selbstdiagnosen, da Diagnostik-Plätze und Fachpersonal rar gesät sind...

Doch eins nach dem anderen...hier kommt die Geschichte über die Diagnose-Entstehung:

1911 prägte der schweizer Psychiater Eugen Bleuler im Rahmen seiner Forschungen zur Schizophrenie den Begriff “Autismus”. Bleuler bezog den Begriff ursprünglich zunächst nur auf diese Erkrankung und wollte damit eines ihrer Grundsymptome beschreiben: Die Zurückgezogenheit in eine innere Gedankenwelt. Bleuler verstand unter Autismus „die Loslösung von der Wirklichkeit zusammen mit dem relativen oder absoluten Überwiegen des Binnenlebens.“

Sigmund Freud übernahm die Begriffe „Autismus“ und „autistisch“ von Bleuler und setzte sie annähernd mit „Narzissmus“ bzw. „narzisstisch“ gleich – als Gegensatz zu „sozial“. Die Begriffsbedeutung wandelte sich mit der Zeit von „dem Leben in einer eigenen Gedanken- und Vorstellungswelt“ hin zu „Selbstbezogenheit“ in einem allgemeinen Sinne.

Hans Asperger (österr. Kinderarzt und Heilpädagoge, der als Erstbeschreiber des später nach ihm benannten Asperger-Syndroms, einer Form des Autismus gilt (1944)) und Leo Kanner (österr.-amerikanischer Kinder- und Jugendpsychiater, der als Erster den frühkindlichen Autismus beschrieb (1943)) nahmen den Autismus-Begriff unabhängig voneinander auf. Sie sahen in ihm nicht mehr nur ein einzelnes Symptom wie Eugen Bleuler, sondern versuchten damit gleich ein ganzes Syndrom eigener Art zu erfassen. Sie unterschieden dabei Menschen mit Schizophrenie, die sich aktiv in ihr Inneres zurückziehen, von jenen, die von Geburt an in einem Zustand der inneren Zurückgezogenheit leben.

Leo Kanner prägte den Begriff des „frühkindlichen Autismus“ (early infantile autism), der daher auch als Kanner-Syndrom bezeichnet wird. Seine Sichtweise erreichte internationale Anerkennung und wurde zur Grundlage der weiteren Forschung und der Anerkennung von Autismus als eigenständiges Störungsbild.

Die Veröffentlichungen Hans Aspergers zur „Autistischen Psychopathie“ hingegen wurden zunächst international kaum wahrgenommen. Dies lag zum einen an der zeitlichen Überlagerung mit dem Zweiten Weltkrieg und zum anderen daran, dass Asperger auf Deutsch publizierte und seine Texte lange nicht ins Englische übersetzt wurden. Die englische Psychiaterin Lorna Wing führte seine Arbeit in den 1980er-Jahren fort und verwendete erstmals die Bezeichnung Asperger-Syndrom.

Autismus wird häufig in der Kindheit diagnostiziert.

Die Diagnose erfolgt im Durchschnitt umso früher, je stärker die Verzögerung bei der Sprachentwicklung und je auffälliger das Verhalten sind.

Manche autistische Personen erhalten die Diagnose jedoch erst als Erwachsene. Nach Daten der auf Autismus spezialisierten Kölner Spezialsprechstunde aus dem Zeitraum von 2005 bis 2009 erfolgte die erstmalige Diagnose beispielsweise im Durchschnitt im Alter von 34 Jahren!!!

Bei vielen der erst im Erwachsenenalter diagnostizierten Personen waren charakteristische Symptome wahrscheinlich bereits in der Kindheit präsent, wurden jedoch nicht erkannt (Masking!), falsch interpretiert oder es ergaben sich aus ihnen keine Schwierigkeiten, die für das Umfeld einen Anlass für eine Untersuchung darstellten. (Für die betroffene Person ergaben sich jedoch sehr wohl Schwierigkeiten!)

In der seit Januar 2022 international gültigen ICD-11 sind alle Ausprägungen des Autismus (frühere Unterscheidungen) zu einer einzelnen Diagnose “Autismus-Spektrum-Störung” (ASS; englisch autism spectrum disorder, kurz ASD) zusammengefasst. Damit folgt die ICD der 2013 veröffentlichten 5. Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5), dem Klassifikationssystem der American Psychiatric Association, das auch international und in der Forschung Verwendung findet.

Grund für diesen Schritt war die zunehmende Erkenntnis der Wissenschaft, dass eine ausreichend klare Abgrenzung der zuvor unterschiedenen Subtypen nicht möglich ist.